Das liegt zum einen daran, dass die schnell wirkenden Ideenansätze oftmals bereits schon "verbraucht" sind, oder die eigentliche Aufgabenstellung so komplex ist, dass eine schnell funktionierende Inszenierung schlichtweg unmöglich ist.
Genau deshalb gilt es sehr oft, die Ideenumsetzung dem Auftraggeber entsprechend zu präsentieren, damit dieser den eigentlichen Wert der kreativen Umsetzung auch gebührend nachvollziehen kann. Und genau hier werden leider sehr oft die guten Ergebnisse von den Machern wieder "schlecht geredet" – sprich: ungünstig präsentiert. Dabei ist es relativ einfach, eine gute Kampagnenidee auch dementsprechend gut zu präsentieren, wenn man ein paar einfache Grundsätze befolgt:
Grundsatz 1: "Präsentieren Sie anders als die anderen!"
Man stelle sich nur vor, man sitzt selbst in einem Gremium von Entscheidern und lässt sich jetzt von sagen wir vier Designunternehmen zu einer ganz bestimmten Aufgabenstellung deren individuellen Umsetzungen zeigen. Jedes der Teams beginnt mit der obligatorischen Begrüßung ("Guten Tag, meine Damen und Herren, wir sind die Agentur XY und bedanken uns sehr für die Einladung heute ...") und erklärt dann artig seine Umsetzungsansätze. Was denken Sie, nach der wievielten Vorführung ist Ihr Aufmerksamkeitspotenzial erschöpft – nach der dritten, nach der vierten ...? Oder vielleicht doch schon während der zweiten? Der Mensch ist in Sachen Neuigkeiten eben doch kein Gewohnheitstier. Was sagen will, dass nach der ersten, spätestens nach der zweiten Wiederholung die Konzentration spürbar nachlässt. Kleine, vielleicht sogar entscheidende Abweichungen des Präsentationsansatzes werden in der Ermüdungsphase vom Umworbenen einfach nicht mehr wahrgenommen. Die eigentliche Idee –
und sei sie in den kleinen, aber feinen Unterschieden zur Konkurrenz noch so gut – wird leider nicht mehr erkannt. Basta, Ende, aus – die Idee ist kaputt präsentiert bzw. schlecht geredet.
Was sagt uns das für die eigene Präsentation beim Kunden? Richtig, der Auftritt muss anders ablaufen wie bei den Konkurrenten. Er muss sich deutlich davon absetzen.
Eine "Urban Legend" der Werbeszene
Man erzählt sich in der Szene von einer der kreativsten Werbeagenturen Deutschlands folgende Begebenheit: Die Agentur wurde mit mehreren weiteren Agenturen beauftragt, für das Land Baden-Württemberg eine Kampagne zu entwickeln, deren Ziel es sein sollte, ausländische Investoren auf "das Ländle" aufmerksam zu machen. Sämtliche Agenturen verfolgten den an sich gleichen Ansatz: Man zeigte dem Kunden zu Anfang der Präsentation schöne Bilder von einigen bedeutenden Kultur- und Naturschätzen des Landes wie beispielsweise dem Stuttgarter Fernsehturm, dem Heidelberger Schloss oder dem Schwarzwald, um daran dann die jeweilige Kampagnenidee anzuhängen, die dann in etwa so lautete wie: "Profitieren auch Sie vom Reichtum dieses wunderbaren Landes." Die benannte Agentur, so die Legende, war eine der letzten Präsentatoren in der Bewerberreihe um diesen Etat. Auch sie begann mit dem konventionellen Weg der Präsentation – und auch sie langweilte die Anwesenden bis aufs Blut, da ja alles schon vorher mehrfach dargestellt wurde. Doch plötzlich passierte etwas total Unvorhergesehenes, das die Anwesenden sprichwörtlich aus der (präsentationsbedingten) Lethargie riss: Die Tür zum Konferenzraum wurde aufgestoßen, ein weiteres Team der Agentur stürmte hinein, beschimpfte die bereits Präsentierenden vor den Augen der Anwesenden als "Lügner" und "Scharlatane" und schmiss das Team Nummer 1 kurzerhand aus dem Raum.
Wie ein doppelter Espresso nach schwerer Kost
Plötzlich war das anwesende Publikum wieder hellwach und lauschte den erklärenden Worten der "Rausschmeisser": "Das vorige Team hätte gar nicht die Bilder gezeigt, die sie vorgaben, zu zeigen. Denn: Der Fernsehturm war nicht der Stuttgarter, sondern der Berliner. Das gezeigte Schloss steht nicht in Heidelberg, sondern irgendwo in Neubrandenburg und die Schwäbische Alb-Aufnahme zeigte in Wirklichkeit einen Landschaftsausschnitt in der der Rhön. Perplexes Schweigen im Raum – Aufmerksamkeit pur. Dann die geniale Erklärung des zweiten Teams: "Wir wollten Ihnen nur mal aufzeigen, wie verwechslungsgefährdet die vermeintlich einzigartigen Wertesymbole Ihres Landes sein können ..." Und genau das war der geniale Zündstoff für den Neubeginn eines bis dato gähnend langweiligen Präsentationstages und dazu gleichzeitig auch noch inhaltliches Gift für die phantasieschwachen Präsentationen der Vorgänger. Und gleich im Anschluss an diesen präsentatorischen Knalleffekt wurde der eigentliche Kreativansatz dieser Agentur präsentiert: Menschen aus Baden-Württemberg, die einzigartiges geleistet haben, bekennen in Wort und Bild: "Wir können alles. Außer Hochdeutsch." Der Rest ist schnell erklärt. Die Agentur hat den Etat gewonnen, die Idee wurde gar zum Kult. Und der weitere Verlauf dieser Präsentation – ganz egal, ob sich die Begebenheit genauso angespielt hat oder nicht – war für die Anwesenden Entscheider auf jeden Fall so anregend wie der sprichwörtliche doppelte Espresso nach einer schwer verdaulichen und überfetten Mahlzeit.
Grundsatz 2: "Zeigen Sie Ihre(n) Knaller immer erst am Schluss"
Klarer Fall: Nicht jede Präsentation kann so abgehalten werden, wie die eben beschriebene. Und ob sie sich tatsächlich so zugetragen hat, weiss auch keiner so genau. Aber – und das ist ja das eigentliche Merkmal so genannter "urban legends" – jeder erzählt sie so, als wäre er selbst dabei gewesen. Was nichts anderes heißt, als dass diese Form der Ideen-Inszenierung wohl geradezu eine der ersehnten Wunschvorstellungen aller potenziell Beteiligter ist – vom Präsentierenden bis hin zum Präsentationspublikum. Und tatsächlich kann man an diesem Beispiel noch viel mehr erkennen, als nur den show-starken Kick der unerwarteten Wende im Ablauf dieser Präsentation. Zum Beispiel auch: Dass jeder gestalterischen Ausformung zuerst einmal deren inhaltliche Argumentation vorangestellt wird. Hätten die Macher gleich zu Beginn die Bilder mit den schwäbischen Tüftlern und Originalen gezeigt, wer weiss, ob die Kampagne so überhaupt zustande gekommen wäre? Erst die geradezu geniale Erkenntnis, dass menschliche Persönlichkeiten viel weniger verwechselbar sind als Kultur- oder Naturdenkmäler verleiht doch dieser Kampagne ihren eigentlichen Wert, oder etwa nicht ...? Erklären Sie deshalb im Verlauf Ihrer Präsentation immer zuerst Ihre Rangehensweise und zeigen Sie erst dann deren Umsetzung. Wer's andersrum macht, wird leider allzu oft überhaupt nicht verstanden bzw. entsprechend missverständlich interpretiert.
Grundsatz 3: Wettbewerbspräsentationen sind die "Meta-Ebene" der Werbung
Die Logik hinter diesem Grundsatz ist erschreckend schlicht: Sie verkaufen während einer Präsentation nicht das Produkt Ihres Kunden – Sie verkaufen hier nur eines: sich selbst! Erst wenn Sie es schaffen, sich selbst entsprechend gewinnbringend zu präsentieren, wird man Ihnen auch zutrauen, das Heiligste zu verkaufen, was sich jeder Kunde nur vorstellen kann: sein(e) Produkt(e)! Deshalb gilt für Grundsatz 3 – und so schließt sich der Kreis dieses Blogs – auch wieder Grundsatz 1: "Präsentieren Sie anders als die anderen …!“