Als angehender Mediendesigner hat Adrian sieben Semester Film und Mediendesign gelernt und jüngst sein Diplom an der Lazi Akademie in Esslingen abgelegt. Mit seinem Abschlussfilm „Aus Blindheit entspringen Schatten“ hat er die Jury jüngst gleichermaßen erstaunt und überzeugt.
Dabei ist die Story nicht unbedingt einfach zu verstehen. Aber genau das ist der konzeptionelle Clou am 10-minütigen Kurzfilm. Hier geht es um Tod und Leben, um das „Vorher“ und das „Nachher“, aber auch um Gesichtsverlust sowie Trennung und Wiedersehen. Was das Werk allerdings auszeichnet ist, dass – auch wenn die Geschichte nicht einfach ist –, man als Zuschauer dennoch gefesselt wird von den bewegten und bewegenden Bildern, die eine sehr schwungvolle Kombination sind aus realen und illustrierten Bildern. Man kann nicht wegschauen, auch wenn beim Schauen Fragen auftauchen. Und genau das ist es, worauf der junge Filmemacher Wert legt.
Die Darstellung der Protagonisten – gespielt von den Schauspielerinnen Claudia Artner und Christiane Klöker – bietet durch das Stilmittel der kompletten Verhüllung keinerlei Möglichkeit, sich emotional an der Mimik zu orientieren. Und doch weiß man zu jeder Sekunde, in welcher Stimmung sich die Figuren befinden und was sie umtreibt. Über all der dramatischen Entwicklungen des Plots schwebt jedoch eine Frage, die – obwohl ebenfalls nicht offensichtlich – sofort spürbar ist: „Wenn wir alle unser Gesicht verlieren, wie ähnlich und wie nahe sind wir uns dann …?“
Nils Hemmen hat mit Adrian Wagner auch über seine pazifistische Grundmotivation gesprochen, die eine entscheidende Triebfeder für die Produktion „Aus Blindheit entspringen Schatten“ war.
Adrian, in Deinem Film bekriegen sich Menschen und sterben. Nach dem tödlichen Konflikt begegnen sie sich wieder, um ohne Gesicht zu erkennen, dass man sich viel ähnlicher ist als im Leben geahnt. Das Prinzip das Nicht-Sichtbare erkennbar zu machen, macht die Zuschauer fast schon zu Mitwirkenden im Film. Ein Prinzip, das Du beabsichtigt hast?
Ja, auf jeden Fall. Mich interessiert, wie man die Zuschauer zum Mitfühlen bringt, auch wenn die üblichen Möglichkeiten der Identifikation fehlen. Das „Kein Gesicht haben“ im Film ist ja genau so eine Situation. Die Darsteller sind gesichtslos und eigentlich fehlt damit eine ganz entscheidende Identifikationsmöglichkeit für das Publikum, um mit den Figuren mitzufühlen. Dennoch scheint es zu klappen. Übrigens war das auch der Grund, warum ich unbedingt wollte, dass professionelle Schauspieler bzw. Schauspielerinnen die verhüllten Figuren spielen. Die fehlenden Personenmerkmale mussten durch ein Mehr an darstellerischer Leistung wie Körpersprache, Bewegung ersetzt werden. Erstaunlich war da für mich auch das Casting zum Film. Wir haben die Rollen per Social Media ausgeschrieben und ich hatte eigentlich erwartet, dass wir keine große Resonanz bekommen. Weil ein/e Schauspieler/in, die sein/ihr Gesicht nicht zeigen kann – so dachte ich – hat eher mal kein so großes Interesse an so einer Arbeit. Aber das Gegenteil war der Fall. Wir sind überschüttet worden mit Rückmeldungen. Da wurde mir klar, dass die Bewerber/innen konkrete Vorstellungen hatten, mit dieser Situation schauspielerisch umzugehen. Deswegen habe ich die beiden Darstellerinnen nicht nach meinen Vorstellungen ausgewählt, sondern nach den Möglichkeiten, die sie mir präsentiert haben, trotz der Verhüllung, mich emotional zu erreichen und mitzunehmen.
Ein wesentliches Kennzeichen von „Aus Blindheit entspringen Schatten“ ist, dass sich illustrierte und reale Filmszenen abwechseln. Was ist für Dich an diesem Format so reizvoll?
Das Zeichnen und illustrieren ist für mich so wichtig, weil ich hier total frei arbeiten kann. Alles, was mir in den Sinn kommt, kann ich sofort „eins zu eins“ zeichnerisch umsetzen. Das Filmen unter realen Bedingungen mit realen Darstellern ist dann quasi die Feuerprobe in der Realität. Als Filmer beginnst Du ja Deine Projekte sehr oft auch mit gezeichneten Storyboards. Diese Vorstellungen dann möglichst detailgetreu in die Realität umzusetzen, ist dann die entscheidende Herausforderung, die ich beim Filmen gerne suche.
Der Wechsel von zeichnerischem und realem Bild hatte in diesem Fall aber noch einen weiteren Vorteil?
Ja ,,, (lacht), Filmen ist immer auch mit Improvisieren verbunden. Wir hatten beispielsweise bei dieser Produktion einen Wintereinbruch, aufgrund dessen unsere Technik wie Lampen und Kameras Probleme gemacht haben. Ich habe dadurch einen ganzen Drehtag verloren. Und hier konnte ich dann bestimmte Bilder, die eigentlich real geplant waren, glücklicherweise in die zeichnerische Ebene transportieren ohne die Grundaussage des Films zu verfälschen. Das ist ein bisschen wie bei einem Jazzmusiker, der auf der Bühne bei einem Solo von einem plötzlichen Tonartwechsel seiner Band überrascht wird und improvisieren muss. Bei mir waren es allerdings gleiche mehrere „Jazzmusiker und -musikerinnen“, die super-flexibel improvisiert haben. Denn mein ganzes Team hatte sich auf die veränderten Bedingungen sofort perfekt eingestellt, was für mich eine große Hilfe und Beruhigung war.
Wie kann es jetzt weitergehen mit „Aus Blindheit entspringen Schatten“?
Ich plane den Film noch in verschiedenen, anderen Sprachen zu untertiteln. Das bietet sich hier besonders gut an, weil ja die tonale Sprache im Film eine phantastische ist und bisher einzig mit deutschen Titeln unterlegt ist. Dann möchte ich den herkömmlichen Weg nehmen, also auf Youtube hochladen, Kontakte machen, Festivals recherchieren und anmelden und schauen, was passiert. Darüber hinaus verspreche ich mir auch Kontakte in die Wirtschaft. Und das sieht schon mal ganz vielversprechend aus. Es gibt schon erstes Interessen von außerhalb, die mich nach meinen Möglichkeiten in Sachen Animation gefragt haben.
Eine letzte Frage an Dich, Adrian: Im Filmabspann taucht unter anderem auch die bekannte Müsli-Marke Kölln als Sponsor auf. Wie kam’s dazu?
Naomi, die Produzentin des Films – eine ehemalige Kommilitonin – hatte Kontakte zu Kölln und die haben spontan unser Catering mit einer Riesenmenge Müsliriegel unterstützt.